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Trainerlegende ... Bearzot Vincenzo „Enzo“ ..........ITALIEN
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Trainerlegende ... Bearzot Vincenzo „Enzo“ ..........ITALIEN
in > TRAINER und TRAINERLEGENDEN < 15.07.2012 09:18von printmaster • Admin | 1.755 Beiträge
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Enzo Bearzot, der in seinen Spielern zuerst den Mensch sah und der immer ihre Nähe suchte, stellte stets die spielerische Komponente des Fussballs in den Vordergrund und ließ sich dabei auch nicht durch die Bedeutung einer Partie beeinflussen. Für ihn blieb Fussball in erster Linie einfach nur ein Spiel.
Der aus Ajello del Friuli (Provinz Udine) stammende Bearzot hatte vor seiner Tätigkeit als Trainer bereits eine lange, aber unspektakuläre Karriere als Fussball-Profi hinter sich. Über 15 Jahre lang spielte er auf höchstem Niveau. Ein wichtiger Meilenstein war 1955 seine erste und einzige Nominierung für die italienische A-Nationalmannschaft. Nachdem er 1946 mit dem Klub Pro Gorizia sein Debüt in der Serie B gefeiert hatte, spielte er als defensiver Mittelfeldspieler überwiegend bei Inter Mailand und Juventus Turin.
1964 beendete er seine Profi-Karriere und begann sofort als Trainer in seinem Klub zu arbeiten, zunächst als Torwarttrainer, dann als Assistenztrainer. Nach einer kurzen Zeit in Prato (Serie C) wurde er schließlich zum Teamchef der italienischen Nachwuchsauswahl (damals U-23) berufen.
Sein weiterer Aufstieg nahm mit der wachsenden Verantwortung seinen Lauf. Bald wurde er Trainerassistent von Teamchef Ferrucio Valcareggi, der die italienische Nationalelf bei der WM in Mexiko '70 und beim Weltturnier in Deutschland '74 betreute.
Nach dem Scheitern in Deutschland und einer kurzen Interimstätigkeit von Fulvio Bernardini war die Stunde des Enzo Bearzot gekommen: 1975 wurde er zum Auswahltrainer berufen und übte dieses Amt bis 1986 aus. Seine Trainerbilanz weist in 104 Spielen 51 Siege, 28 Unentschieden und 25 Niederlagen aus.
Bei der Neuformierung der Nationalmannschaft zu Beginn seiner Amtszeit stützte sich der Trainer natürlich zunächst auf Spieler, die aus den Reihen von Juventus Turin kamen, dem damaligen Spitzenreiter der Serie A. Bei der Weltmeisterschaft in Argentinien '78 präsentierte sich Italien mit völlig neuen Gesichtern und bot eine wesentlich attraktivere Spielanlage als die Vorgänger-Teams. Besonderen Anteil daran hatten die hoffnungsvollen Nachwuchsspieler, allen voran Paolo Rossi und Antonio Cabrini.
Bearzot baute geduldig seine Mannschaft auf und ließ sich dabei auch nicht von der Kritik beeinflussen, der er nach dem Scheitern der Squadra Azzurra bei der im eigenen Land ausgetragenen Europameisterschaft 1980 ausgesetzt war. Trotz der enttäuschenden Leistungen in den Vorbereitungsspielen für die WM-Qualifikation blieb Bearzot hartnäckig und arbeitete weiter daran, ein starkes Team zu formen. Er lehnte es sogar ab, neue Leute wie den offensiven Mittelfeldspieler Evaristo Beccalossi von Inter Mailand und den Angreifer Roberto Pruzzo von AS Rom in die Mannschaft einzubauen.
Ein weiterer Beweis für das nahezu blinde Vertrauen von Bearzot in seine Mannschaft war die Tatsache, dass er Paolo Rossi, der nach einer Zweijahres-Sperre wegen der Verwicklung in einen Fussball-Wettskandal gerade einmal zwei Monate Spielpraxis hatte, wieder in die Auswahl berief.
Die Kritik an ihm wurde nach der Vorrunde der WM in Spanien '82 zunehmend lauter, denn Italien konnte sich nach drei Unentschieden gegen Polen, Peru und Kamerun nur knapp für das Achtelfinale qualifizieren, wobei lediglich das bessere Torverhältnis gegenüber den Afrikanern den Ausschlag gab.
Die Presse war förmlich außer sich, zumal eben jener Rossi keinen einzigen Treffer erzielt hatte. Um jeglicher Polemik aus dem Weg zu gehen, lehnte es Enzo Bearzot nach dem Spiel in Vigo ab, sich den Medien zu stellen (damals war das laut FIFA-Reglement noch zulässig). Bearzot nahm ein paar Tage Auszeit, um seine Truppe wieder zusammenzuschweißen und leistete in psychologischer Hinsicht eine enorme Motivationsarbeit.
Kein Italiener glaubte damals noch daran, dass die Squadra Azzurra noch eine Titelchance habe. Denn dazu mussten die Italiener erst einmal den amtierenden Weltmeister Argentinien bezwingen, der durch einen jungen Hoffnungsträger namens Diego Maradona verstärkt wurde, und dann waren da immer noch die Brasilianer, die damals mit Zico, Falcao, Socrates, Cerezo, Junior und Eder ihre wohl beste Formation seit der WM 1970 aufgeboten hatten.
Aber die Italiener sollten nach der Seelenmassage ihres Trainers wieder zu ihren alten Tugenden zurückfinden. Gestützt auf einen tadellos haltenden Zoff im eigenen Tor nutzten die Azzurri fortan jeden auch noch so kleinen Raum, um einen gefährlichen Konter nach dem anderen vorzutragen. So kam es, dass sie gegen die Argentinier, die sich zu sehr auf ihre eigenen Fähigkeiten verlassen hatten, mit 2:1 gewannen. Allerdings hatte Paolo Rossi wieder kein Tor erzielt. Bearzot blieb dennoch hartnäckig und hielt zu ihm. Er gab seinem schwächelnden Torjäger eine letzte Chance.
Und am 5. Juli, dem Tag also, an dem es im Sarria-Stadion von Barcelona zum vorweggenommenen Endspiel kam, glaubten die Tifosi plötzlich wieder an ein Wunder. Dem "Heiligen" Paolo gelang beim 3:2-Sieg gegen Brasilien ein Hattrick. Damit rechtfertigte er voll und ganz das Vertrauen seines Trainers, der sich trotz heftiger Kritik hinter ihn gestellt hatte. Jetzt war der Knoten geplatzt. Nichts konnte ihn mehr aufhalten. Im Halbfinale gegen Polen (2:0) erzielte Rossi wiederum beide Treffer für seine Mannschaft. Im Finale schließlich, das am 11. Juli 1982 stattfand, war es erneut Rossi, der mit seinem Führungstor den Grundstein für den späteren 3:1-Sieg Italiens über die nach dem sensationellen und schwer erkämpften Halbfinal-Sieg gegen Frankreich etwas müde wirkende deutsche Elf legte.
Nach dem Schlusspfiff wurde Bearzot von der gesamten Mannschaft euphorisch gefeiert. Es war dies der erste WM-Titel für Italien nach 44 Jahren. Damals war die Squadra Azzurra von Vittorio Pozzo betreut worden.
Der WM-Titel war der Lohn für sieben Jahre harter Aufbauarbeit, in deren Verlauf sämtliche Positionen doppelt besetzt worden waren. Bearzot aber, der sein Charisma und seine bedingungslose Einsatzbereitschaft voll in der Arbeit als Trainer ausreizte, hatte vor allem die Formierung eines erweiterten Teams vor Augen und nicht vordergründig eine Mannschaft als solche. Die elf Jahre, in denen er für die italienische Nationalmannschaft die Verantwortung trug, haben tiefe Spuren hinterlassen. Seine Arbeit diente noch Generationen von Trainern als Grundlage, unter anderem auch seinem Nachfolger Azeglio Vicini.
Nach dem Ausscheiden bei der Weltmeisterschaft in Mexiko '86 erklärte Bearzot seinen Rücktritt. "Für mich war das eine Berufung, die allerdings im Laufe der Jahre zu einem bloßen Beruf wurde. Heute kann ich die Werte aus meiner Zeit nicht mehr erkennen. Die Entwicklung im Fussball und das Wirken von finanzkräftigen Sponsoren führten dazu, dass vor allem an das Geld gedacht wird. Gerade das Geld hat die Werte im Fussball verändert. Das Anforderungsprofil eines Spielers hat sich gleichfalls verändert, vor allem auf der Ebene der Klubs. Im Übrigen haben sich letztere inzwischen zu gewinnbringenden Unternehmen entwickelt. Schließlich ist der Fussball heute auch zu einer, wenn auch nicht immer exakten, Wissenschaft geworden. Für mich aber bleibt der Fussball vor allem ein einfaches Spiel."
Enzo Bearzot war in den Ruhestand gegangen, um fortan mehr Zeit für seine Lieblingslektüre, die klassische Literatur, zu haben. Aber im Alter von 75 Jahren, sechs Jahre nach seinem freiwilligen Rückzug ins Rentnerdasein, übernahm er am 22. Januar 2002 die Leitung der Technischen Abteilung im italienischen Fussballverband mit der Begründung, dass der betreffende Vorschlag ja aus "der Welt des Fussballs" gekommen sei.
"Bearzot war ein großer Trainer und der beste Teamchef der italienischen Nationalmannschaft seit Vittorio Pozzo. Ich freue mich, dass wir ihn wieder bei uns haben. Er sollte sich nicht allzu weit vom Fussball entfernen", meinte Claudio Gentile und räumt zudem ein, "von dessen Arbeitsmethoden profitiert" zu haben. Doch 2005 ging Bearzot dann endgültig in Ruhestand.
So ist der Mann mit der Pfeife nun auf seinen Platz in der großen Fussball-Familie zurückgekehrt und sagt heute immer noch jedem, der es hören will, dass Alfredo Di Stefano seiner Meinung nach der beste Fussballer des Jahrhunderts ist.
Ohne den physischen Aspekt zu vernachlässigen, legte Enzo Bearzot großen Wert auf kreative Fantasie und Technik. "Für mich wird Fussball mit zwei Flügelstürmern, einer Sturmspitze und einem Spielmacher gespielt. Das war meine Auffassung vom Fussball. Ich habe zunächst meine Spieler ausgewählt und sie dann spielen lassen, ohne ihnen irgendein taktisches Schema aufzuzwingen. Einem Maradona kann man nicht vorschreiben, dass er so spielt, wie man es ihm vorher gesagt hat. Vielmehr muss man ihn nach seinem Gefühl spielen lassen. Das genügt", so Bearzot.
Bei der Weltmeisterschaft 82 spielte Italien meist mit einer 4-3-3-Formation mit Zoff im Tor, Gentile, Collovati, Scirea und Cabrini in der Abwehr; Antognoni, Tardelli und Oriali im Mittelfeld sowie Conti, Rossi und Graziani im Angriff. Cesare Maldini, Dino Zoff (ebenfalls aus Friaul), Marco Tardelli und Claudio Gentile wurden alle stark von seinen Methoden geprägt
Sie waren seine Spieler...
Marcello Lippi: "Unter ihm habe ich mein erstes Länderspiel in der U-23 gemacht. Als ich als Nationaltrainer mein erstes Spiel verloren hatte, hat er mich sofort ermutigt und mich daran erinnert, dass es bei ihm genau so gewesen ist. Zudem erinnere ich mich, dass er mal gesagt hat, für Analysen sei es wichtig, Freundschaftsspiele zu verlieren. Er hat zu mir gesagt, Niederlagen seien das Geheimnis der Mannschaftsbildung, weil man durch sie Schwächen und Grenzen analysieren könne. Danach sollte man natürlich schleunigst wieder gewinnen, um die Moral zurück zu erlangen, vor allem in der Aufbauphase."
Dino Zoff: "1982 waren wir insgeheim alle davon überzeugt, dass wir den Titel holen würden, und genau so ist es eingetroffen. Aber der eigentliche Vater des Erfolgs war Enzo Bearzot, ein außergewöhnlicher Mensch und ein herausragender Trainer. Für mich war er ein großer Bruder, eine Vaterfigur. Ihm gebührt alles Lob für diesen Sieg. Wenn jemand ein Ziel verfolgt, das ihm ungeachtet allen Drucks, der auf ihm lastet. richtig erscheint, dann ist es das wichtigste, den Willen zu haben, seinen eigenen Weg zu gehen."
Claudio Gentile: "Bearzot war ein Großer. Nach Vittorio Pozzo war er der beste italienische Trainer. Seine Methoden haben mich oft inspiriert. Mit ihm verbinde ich sehr viele schöne Erinnerungen, wie zum Beispiel an die fantastische Mannschaft, die er 1982 zusammengestellt hat, oder an den Fussball, den wir 1978 gespielt haben."
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Man muss Fußball nicht verstehen, man muss sich nur damit zurechtfinden!
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