|
|
Schön Helmut ein Leben für Fussball ......DEUTSCHLAND
|
Schön Helmut ein Leben für Fussball ......DEUTSCHLAND
in > TRAINER und TRAINERLEGENDEN < 13.01.2012 20:04von printmaster • Admin | 1.755 Beiträge
...................................
Schon mit fünf oder sechs Jahren begann Helmut Schön auf den Straßen der Dresdner Seevorstadt Fußball zu spielen. Schön schreibt dieser Zeit des „Pflaster- und Asphaltfußballs“ die Schulung seiner besonderen Talente, Ballgefühl und schnelle Reflexe, zu. Sein Vater, der Kunsthändler Anton Schön, teilte die Fußballleidenschaft seines Drittgeborenen nicht. Helmut Schön hatte noch einen acht Jahre älteren Bruder und eine zwölf Jahre ältere Schwester.
Mit zehn Jahren schloss er sich der Knabenmannschaft des SV Dresdensia an. Als Fünfzehnjähriger spielte Schön – sein fußballerisches Vorbild war Matthias Sindelar – bei einem Freundschaftsspiel in Bautzen erstmals in der ersten Mannschaft von „Dresdensia“. Unmittelbar danach wechselte er von der kleinen „Dresdensia“ zum großen Dresdner SC, wo der Nationalstürmer Richard Hofmann zu seinem Idol wurde.
Das Länderspiel am 28. September 1930 in Dresden gegen Ungarn erlebte der Nachwuchskicker als Balljunge im Ostragehege und war Zeuge der Aufholjagd der deutschen Mannschaft vom 0:3-Halbzeit- zum 5:3-Endstand. Da ab dem Jahre 1928 Jimmy Hogan das Traineramt beim DSC ausübte, profitierte davon auch das Nachwuchstalent Helmut Schön. Insbesondere die technische Schulung, das Kombinationsspiel und die Kunst des „überraschenden Spiels“ lehrte der Engländer nachhaltig in Dresden und prägte damit auch die spätere Trainerarbeit von Helmut Schön.
In der Ligamannschaft debütierte Schön im Sommer 1933 – vielleicht zu früh, denn es folgte eine sechsmonatige Pause bis zum zweiten Einsatz. Stattdessen erhielt der Schüler eine Einladung zu den ersten Olympialehrgängen nach Berlin und Duisburg. Lehrgangsleiter war Reichstrainer Dr. Otto Nerz, assistiert wurde ihm von Sepp Herberger, Paul Oßwald, Bruno Lehmann, Ludwig Leinberger und Georg Knöpfle. Eine Meniskusverletzung verhinderte Schöns Olympiateilnahme 1936. Er wurde im Sportsanatorium Hohenlychen nördlich von Berlin operiert.
Neben dem Fußball besuchte Schön das Bischöfliche St. Benno-Gymnasium in Dresden und machte dort auch das Abitur. Weit mehr als die naturwissenschaftlichen Fächer lagen ihm die Sprachen. April 1935 trat Schön eine Lehre zum Bankkaufmann bei der Sächsischen Staatsbank in Dresden an. Nach erfolgreichem Abschluss war er bei der Pharmazeutischen Fabrik Dr. Madaus & Co (Gönner des Dresdner SC) in Radebeul bei Dresden bis 1945 im kaufmännischen Bereich angestellt. Der eigentliche Aufstieg des Dresdner SC an die Spitze der Gauliga Sachsen und des deutschen Vereinsfußballs erfolgte mit dem Gewinn der sächsischen Meisterschaft in der Saison 1938/39 und des dritten Platzes in der Deutschen Meisterschaft.
Über Repräsentativspiele für die Stadt Dresden sowie für Sachsen im Reichsbundpokal führte der Weg des Spielers Schön im Mai 1935 schließlich zu Einsätzen in der B-Nationalelf in Sofia und Belgrad gegen Bulgarien und Jugoslawien. Nach Ausheilung seiner Meniskusverletzung vor der Olympiade 1936 nominierte ihn der Nachfolger von Reichstrainer Nerz, Sepp Herberger, für das Weltmeisterschaftsqualifikationsspiel am 21. November 1937 in Hamburg gegen Schweden. Das Debüt von Helmut Schön in der Nationalmannschaft fand in der „Breslau-Elf“ statt, die am 16. Mai 1937 in Breslau mit einem 8:0-Erfolg gegen Dänemark Fußballgeschichte geschrieben hatte. Zusammen mit Ernst Lehner, Otto Siffling, Fritz Szepan und Adolf Urban bildete der Dresdner beim souveränen 5:0-Sieg in Hamburg die Angriffsreihe. Zum Einstand steuerte er zwei Treffer bei. Mit seiner Kombinationsgabe, Kopfballstärke, Schusskraft und seiner ausgeprägten strategischen Fähigkeit schien er glänzende Perspektiven in der Nationalmannschaft zu haben und zu den Leistungsträgern für die anstehende Fußball-Weltmeisterschaft 1938 in Frankreich zu gehören. Acht Tage später, am 28. November 1937, zog sich Helmut Schön im Ligaspiel des Dresdner SC jedoch seine zweite Meniskusverletzung zu.
Seine Karriere in der Nationalmannschaft erfuhr dadurch erst nach dem WM-Turnier, am 18. September 1938 in Chemnitz, beim Länderspiel gegen Polen die Fortsetzung. Erneut war der „Lange“ beim 4:1-Sieg als Torschütze erfolgreich. Im Spieljahr 1938/39 folgten noch fünf weitere Einsätze in der Nationalmannschaft, der Titelgewinn mit dem DSC in der Gauliga Sachsen und der dritte Rang in den Spielen um die Deutsche Fußballmeisterschaft.
In dieser Phase kam Schön der Gedanke, sein Leben völlig zu ändern. Bei der Arzneimittelfirma Madaus war er als Dreiundzwanzigjähriger in den Außendienst gekommen. Er hatte Ärzte, Kliniken, Apotheken zu besuchen und dort über die Produkte seiner Firma zu sprechen. Ihm machte sein Beruf Freude, das ganze Milieu lag ihm und er las viele medizinische Schriften. So hatte er die Idee, doch noch Medizin zu studieren. Nach langer Überlegung und ausführlichen häuslichen Diskussionen fasste er dann aber den Entschluss, diesen Schritt nicht zu tun. Später meinte er, dass sich das als richtig erwiesen hätte, keine hektische Kurskorrektur durchgeführt zu haben. Er „habe etwas länger gewartet – und dann das Richtige getan.“
Ein abruptes Ende erfuhr Schöns Nationalmannschaftskarriere am 5. Oktober 1941 nach einer 2:4-Niederlage in Stockholm gegen Schweden. Sepp Herberger hielt Schön für einen Schwachpunkt in der Mannschaft. In sein Tagebuch notierte der Nationaltrainer nach der Niederlage: "Die Stürmer sind zu weich! Keine Kämpfer!! Gegen Schweden gewinnt man nur durch Kraft und Kampf, Schnelligkeit und Härte!! Schön ist gegen Mannschaften aus Skandinavien hinfort nicht mehr tragbar." Dies bezog sich insbesondere auf das folgende Spiel gegen Dänemark in Schöns Heimatstadt Dresden. Doch auch für spätere Spiele wurde er nicht mehr nominiert. In 16 Länderspielen erzielte Schön 17 Tore.
Er selbst bezog zu seinem Rauswurf nie kritisch Stellung, während sein Umfeld und insbesondere seine Ehefrau sich noch jahrelang über die ihrer Meinung nach "ungerechte Behandlung" erbosten. Helmut Schön, von Herberger nie wirklich akzeptiert (weder als Spieler noch später als Bundestrainer), mußte für diese Niederlage büßen - es war ihm nicht nur verwehrt, gegen Dänemark in seiner Heimatstadt Dresden aufzulaufen, sondern er spielte überhaupt nicht mehr in der Nationalmannschaft".
Von neutralen Fußballfachleuten wurde die Ursache der Niederlage in Stockholm aber auch so analysiert: "Der Krieg machte vernünftige Vorbereitungen unmöglich. Gemeinsame Trainings- und Vorbereitungslager waren rar geworden, stattdessen reisten die Nationalspieler inzwischen oftmals direkt von der Front zu den Länderspielen und kamen in entsprechend schlechter körperlicher und psychischer Verfassung an".
Im Verein folgten in den Jahren 1943 und 1944 zwei deutschen Meistertitel für den Dresdner SC, der damit zur erfolgreichsten Mannschaft der Kriegsjahre unter der Anleitung von Trainer Georg Köhler avancierte. Obwohl die Mannschaft während des Krieges ab 1939 immer wieder auf Stammkräfte im Fronteinsatz hatte verzichten müssen, trat sie 1943 zum Finale in Berlin gegen eine Militärmannschaft aus Hamburg nahezu in Bestbesetzung an, darunter auch Helmut Schön. Im Berliner Olympiastadion gelangen ihm vor 70.000 Zuschauern, von denen die meisten Soldaten waren, zwei Treffer.
Der Erfolg wurde jedoch dadurch geschmälert, dass er von den Rängen bei jedem Ballkontakt mit einem höhnischen "Helmut Schön k.v." bedacht wurde. Hintergrund war, dass Schön auch während des "totalen Krieges" nur wenige Wochen an die Front musste. Als offizielle Begründung firmierte zunächst ein "Knieschaden", der Schön in der Ausübung seines Sports zwar periodisch, aber nicht grundsätzlich behinderte. Daher hielten ihn viele für "kriegsverwendungsfähig" (k.v.). Später erhielt er als Angestellter von Madaus, der als „kriegswichtiger Betrieb“ galt, eine weitere Freistellung. Dies war allerdings keine "Lex-Schön".
Ähnlich wie die Spieler des FC Schalke 04 profitierten besonders die prominenten Akteure des Dresdner SC von einer Bevorzugung durch Nationalsozialisten und Heereskreise.Sie sorgten dafür, dass die DSC-Spieler nach Beginn des Zweiten Weltkriegs nicht an die Front geschickt wurden. Der Hintergrund war das Bestreben der Nationalsozialisten, im vom Krieg gebeutelten Heimatland eine gewisse Normalität einerseits und Ablenkung andererseits aufrechtzuerhalten. Fußball war auch im Krieg ein Publikumsmagnet und die Propaganda verwendete die Erfolge der herausragenden Vereine und Akteure für ihre Zwecke. Andererseits beklagte der DSC im Januar 1942, dass ihm nur noch vier Stammspieler (unter ihnen Schön) zur Verfügung stünden.
Zwar hatte Schön nach eigener Aussage einen Eintritt in die NSDAP stets abgelehnt. Seine viel zitierte Aussage, dass es "trotz des sinnlosen Krieges, der das Leben immer mehr beeinflußte, für uns Sportler eine herrliche Fußballzeit" war, deckt sich jedoch mit der später als verantwortungslos kritisierten Geisteshaltung vieler Fußballspieler und -funktionäre zu dieser Zeit.
Helmut Schön, seit dem 15. Januar 1942 verheiratet und Vater von Sohn Stephan (* 1944, später aktiver Leichtathlet und Physiker), hatte die Katastrophe vom 13. bis 15. Februar 1945 durch die Luftangriffe auf Dresden unbeschadet überstanden und war sofort nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Dresden wieder am Ball. Da aber der Dresdner SC in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands als „bürgerlicher Verein und Symbol feudaler Cliquenwirtschaft“ verboten worden war, spielte Schön in der Saison 1946/47 mit dem Nachfolgeverein SG Dresden-Friedrichstadt im Bezirk Dresden.
Im Winter 1949/50 hatte Schön in Köln unter Sepp Herberger seine Trainer-Ausbildung absolviert und war 1951/52 war Trainer beim SV Wiesbaden in der 2. Liga Süd und belegte mit den Hessen den neunten Rang. Er fand in Wiesbaden mit seiner Familie eine neue Heimat, nahm aber 1952 das Angebot des damals autonomen Saarlandes an und wurde dessen Nationaltrainer. In dieser Funktion besuchte er die Vereine, beobachtete die Spitzenspieler und stellte die verschiedenen Auswahl-Mannschaften auf. Das war es, was ihm weit besser als der Job eines Clubtrainers gefiel und was er schon als Ostzonen-Trainer schätzen gelernt hatte: Er war nicht nur auf das Training einer einzigen Mannschaft festgelegt. Er erweiterte damit seinen Horizont, musste beweglich sein, lernte sehr viele unterschiedliche Menschen kennen. Er hielt Vorträge, stellte Teams auf, stellte um, gliederte aus und baute neue auf. Die Saar bot für Schön ein klassisches Modell für die Tätigkeit als „Bundestrainer“ und eine gute Vorbereitung für die spätere Zeit beim DFB. Als Nachfolger von Auguste Jordan startete Helmut Schön mit einem 3:2-Erfolg am 24. Juni 1953 in Oslo gegen Norwegen in die Qualifikation zur Weltmeisterschaft 1954 in der Schweiz. Die beiden Spiele gegen die Mannschaft von Sepp Herberger endeten in Stuttgart mit einer 0:3- und in Saarbrücken mit einer 1:3-Niederlage. Die saarländische Nationalelf zeigte dabei als Außenseiter jeweils eine beachtliche Leistung.
Nachdem der SFB wieder als Landesverband in den Deutschen Fußballbund eingegliedert worden war, wurde Schön am 26. Mai 1956 Assistent von Bundestrainer Sepp Herberger. Für ein Anfangsgehalt von 1.100 DM brutto bekam er mehrere Aufgaben übertragen: Er war zuständig für die B-Mannschaft, die Amateurauswahl und für die Jugendnationalelf bei den UEFA-Turnieren. Daneben leitete er Trainer-Lehrgänge und war stets bei den Vorbereitungen zu den Spielen der A-Nationalmannschaft dabei. Schön war mit der Rolle des Herberger-Assistenten zufrieden. Die Mannschaft akzeptierte ihn als zweiten Mann, und er versuchte das zu schaffen, was für Herberger die wichtigste Voraussetzung beim Umgang mit der Nationalmannschaft war: ein gutes Betriebsklima. Wertvolle Erfahrungen sammelte Schön an der Seite von Bundestrainer Sepp Herberger bei den Weltmeisterschaftsturnieren 1958 in Schweden und 1962 in Chile. Faszinierend war für ihn, wie es Herberger verstand, der Nationalelf die richtige Einstellung zu der bevorstehenden Aufgabe zu vermitteln. Das war nach seiner Ansicht die eigentliche Aufgabe des Bundestrainers, nicht das Training. Die konditionelle Arbeit ist eine Sache von Jahren und Monaten, die im Verein geleistet werden soll. Der Bundestrainer muss im Wesentlichen die Mannschaft auswählen, zusammenbauen, die Spieler verschiedener Mentalität, Landsmannschaft, Bildungsgrade aufeinander abstimmen, die richtige Marschroute finden, den Gegner in der richtigen Form schildern und die Spieler entsprechend motivieren. Nach acht Jahren als Assistent trat Helmut Schön im Sommer 1964 die Nachfolge von Bundestrainer Sepp Herberger an.
Am 7. Juni 1964 betreute Sepp Herberger bei dem Freundschaftsspiel in Helsinki gegen Finnland letztmals die deutsche Nationalmannschaft. In der letzten Phase der Ära Herberger hatte die Bundesliga in der Saison 1963/64 als Leistungsspitze des deutschen Fußballs ihr Programm aufgenommen und damit die international überholten regionalen Oberligen abgelöst. Dem neuen Bundestrainer stellte sich sofort die sportlich schwierige Aufgabe der Qualifikation zur Weltmeisterschaft 1966 in England. Schweden und Zypern waren die Gegner und das erste Spiel gegen die Nordländer fand ohne Vorbereitungsländerspiel bereits am 4. November 1964 in Berlin statt. Durch zwei Kurzlehrgänge mit Probespielen in Augsburg gegen eine Südauswahl (15. September) und in Düsseldorf gegen Sheffield Wednesday (6. Oktober) versuchte Helmut Schön mit seinem Assistenten Dettmar Cramer, der Nationalmannschaft Form und Gestalt zu geben.
Nach der durch die Defensive geprägten Weltmeisterschaft 1962 in Chile setzte der neue Bundestrainer mit seiner Mannschaft eindeutig in England Akzente im Offensivspiel.
In der Qualifikation zur Europameisterschaft 1968 erlebte der Bundestrainer aber einen Rückschlag. Nach dem 6:0-Startsieg am 8. April 1967 in Dortmund gegen Albanien gab es einen Monat später in Belgrad am 3. Mai gegen Jugoslawien eine 0:1-Niederlage, die sofort die Kritiker auf den Plan rief. Tenor war die zu defensive Einstellung der Mannschaft. Dies trotz der offensiven Formation des Mittelfeldes – Beckenbauer, Küppers, Overath – und des Dreierangriffs mit Held, Gerd Müller und Löhr.
Am 7. Oktober gelang mit einem 3:1-Heimerfolg in Hamburg aber umgehend die Revanche. Das Spiel am 17. Dezember 1967 in Tirana gegen Albanien entschied den Zweikampf mit Jugoslawien. Der Bundestrainer vertraute im Mittelfeld auf drei Spielmacher-Typen: Hans Küppers, Günter Netzer und Wolfgang Overath sollten die Vorlagen für die drei Spitzen Siegfried Held, Peter Meyer (Bundesligavorrunde: 19 Tore) und Johannes Löhr (Bundesligavorrunde: 16 Tore) besorgen.
Heraus kam aber nur ein 0:0-Unentschieden und damit das Scheitern in der EM-Qualifikation. Schön stand in der Folgezeit massiv in der Kritik. Mit dieser negativen Erfahrung ging es in die Qualifikationsspiele zur Weltmeisterschaft 1970 in Mexiko. Gegen Österreich, Schottland und Zypern führte Schön seine Mannschaft mit fünf Siegen und einem Unentschieden zum Finalturnier. Entscheidenden Charakter hatte der 3:2-Abschlusserfolg am 22. Oktober 1969 in Hamburg gegen Schottland, als Reinhard „Stan“ Libuda in der 79. Spielminute einen Alleingang mit dem Siegtor vor 72.000 Zuschauern krönen konnte.
Mit der spielerischen Vorstellung seiner Mannschaft beim WM-Turnier in Mexiko 1970 „nabelte“ sich Schön endgültig erfolgreich als Bundestrainer von seinem Vorgänger Sepp Herberger ab. Bereits die Auftritte in den Gruppenspielen gegen Bulgarien und Peru waren Demonstrationen hoher Spielkunst. Beckenbauer, Overath und der ins Mittelfeld gerückte Uwe Seeler bestimmten das Spiel, Gerd Müller setzte sich auch international als Torjäger durch und das Wechselspiel an den Flügeln mit Libuda, Grabowski, Löhr und Held verwirrte die Gegner und sorgte für ein attraktives Spiel für die Zuschauer. Das spannende Viertelfinalspiel gegen England, das Deutschland nach einem 0:2-Rückstand noch mit 3:2 siegreich gestaltete, brachte Frankreichs „L’Équipe“ zu einem originellen Urteil:
„„Phantastisch! Unglaublich! Wundervoll! Außergewöhnlich!“ Welches Wort beschreibt am besten den Sieg Deutschlands über eine wunderbare englische Mannschaft! Wir überlassen Ihnen die Wahl.“ …..“
Die Dramaturgie und das permanente Offensivspiel im anschließenden Halbfinale gegen Italien – der 4:3-Sieg Italiens wurde danach als „Jahrhundertspiel“ gefeiert – brachten Trainer, Mannschaft und dem deutschen Fußball Sympathien in der ganzen Welt ein. Neben der Spielkunst und der Leidenschaft zeigte die deutsche Nationalelf in Mexiko auch die Einstellung, um Spiele gewinnen zu können. Sie setzte somit die Philosophie von Helmut Schön idealtypisch um und entsprach seiner Einstellung zum Spiel. Erfolgreich und schön: diese Symbiose entsprach dem natürlichen Verständnis über das Fußballspiel des feinsinnigen Sachsen am Regiepult des deutschen Fußballs. An der Mittelstürmerfrage (Gerd Müller oder Uwe Seeler?) manifestierte sich in der öffentlichen Expertenmeinung noch lange die Wahrnehmung von Schöns „Entschlusslosigkeit und seinem Wankelmut“. Schöns Lösung, die darin bestand, dass er Seeler in die zweite Reihe hinter Müller zurückzog, brachte ihm den Ruf ein, dass er nur deshalb an beiden festgehalten hätte, um keinem von ihnen wehzutun. Die Auftritte der Mannschaft in Mexiko, die Leistungen Gerd Müllers und Uwe Seelers sprachen jedoch eindeutig für die Maßnahmen des Bundestrainers und gegen eine„Kompromisslösung“.
Die nächste Bewährung stand schon am 17. Oktober 1970 mit dem ersten Qualifikationsspiel zur Euro 1972 in Köln gegen die Türkei an. Trotz guter Leistung endete das Spiel nur mit einem 1:1-Unentschieden. Jetzt ging es wieder nach Albanien, am 17. Februar 1971 trat die DFB-Elf in Tirana zum zweiten Qualifikationsspiel an. Der Bundestrainer nominierte für die Abwehr den 31-jährigen Routinier Karl-Heinz Schnellinger, für das Mittelfeld Beckenbauer, Netzer und Overath und im Angriff Grabowski, Gerd Müller und Heynckes. Trotzdem fiel die Revanche für die Europameisterschaftspleite vom 17. Dezember 1967 denkbar knapp aus: Gerd Müller erzielte in der 38. Spielminute den einzigen Treffer zum 1:0-Sieg.
In den Rückspielen gegen die Türkei und Albanien setzte sich die Nationalmannschaft erneut durch und auch in den folgenden zwei Begegnungen im Oktober und November 1971 gegen Polen. Noch wesentlicher waren dabei die personellen Zugewinne durch Paul Breitner, Uli Hoeneß, Herbert Wimmer und Erwin Kremers, die Helmut Schön zum Einsatz gebracht hatte, und die damit verbundene Fortführung der spielerischen Linie. Am 29. April 1972 gipfelte das in einem Sensationsspiel im Londoner Wembleystadion - dem EM-Viertelfinale gegen England.
Mit 3:1 gewann die DFB-Mannschaft, womit die zu Beginn überlegenen Engländer am Ende noch gut bedient waren. Dabei war die Aufstellung des „vorsichtigen, ängstlichen Zauderer“ Schön überaus riskant: Im Feld hatte er mit Höttges und Schwarzenbeck lediglich zwei Akteure für die reine Defensive nominiert, dazu noch die spielerisch herausragend beschlagenen Beckenbauer und Breitner, die zu jedem Zeitpunkt dem Spiel nach vorne entscheidende Impulse geben konnten. Die „Aufräumerqualitäten“ im defensiven Mittelfeld hielten sich bei den drei Spielern Wimmer, Netzer und Hoeneß in Grenzen. Dazu kamen die Stürmer Grabowski, Gerd Müller und Held als reine Offensivkräfte. Dass auch eine eindeutig spielerisch strukturierte Mannschaft die beiden Pole des Fußballspiels, Defensive und Offensive, im richtigen Verhältnis erfolgreich anwenden kann, demonstrierte die Mannschaft von Helmut Schön gegen England durch den 3:1-Erfolg. Die Handschrift des Mannes aus Sachsen war klar zu sehen. Seine Mannschaftsführung, die auf den „mündigen Spieler“ vertraute, setzte Kräfte frei, die sich bei einem autoritären Trainer nicht derart hätten entwickeln können. Im Halbfinale folgte ein 2:1-Erfolg gegen Belgien und im Finale war die Sowjetunion beim 3:0 der deutschen Mannschaft chancenlos. Seit Wembley übertraf sich die internationale Fachpresse in Glückwünschen und Superlativen gegenseitig:
„Helmut Schöns Mannschaft eröffnete einen neuen Zeitabschnitt im Fußball“, schwärmte die Mailänder Corriere de la Sera nach dem 3:0-Finalsieg des bundesdeutschen Nationalteams über die Sowjetunion. „Wir müssen von den Deutschen lernen. Sie haben Spielzüge, die in keinem Lehrbuch stehen“, gestand der sowjetische Nationaltrainer Ponomarjow nach Spielschluss, während die französische L’Équipe Günter Netzer als „den besten Spieler unseres Erdteils“ bezeichnete.…..“
Vor dem Weltmeisterschaftsturnier 1974 in Deutschland veränderte sich aber das Gesicht dieser Mannschaft. Günter Netzer war 1973 nach Spanien zu Real Madrid gewechselt und kam zudem durch eine Verletzung mit Trainingsrückstand zum Vorbereitungslehrgang nach Malente. Herbert Wimmer gehörte nicht mehr der Stammbesetzung an und der Flügelflitzer Erwin Kremers wurde ebenso wenig wie der Routinier Siegfried Held nominiert. In der Gruppenphase vertraute der Bundestrainer auf Cullmann, Overath und Hoeneß im Mittelfeld, spielerischer Glanz wollte nicht aufkommen. Im dritten Spiel kam noch Heinz Flohe als vierter Mann im Spiel gegen die DDR hinzu und Grabowski und Gerd Müller bildeten alleine den Angriff. Die Ostdeutschen gewannen mit 1:0 Toren und im DFB-Lager herrschte Krisenstimmung.
In der Sportschule Malente, in der schon in der Vorbereitungsphase ein Streit wegen der Spielerprämien ausgebrochen war, wurde sofort nach der Niederlage Klartext geredet. Der Bundestrainer warf einigen Spielern vor, nicht so gekämpft zu haben, wie es notwendig war. „Angriff und Mittelfeld haben für zu wenig Unterstützung in der Abwehr gesorgt, wenn es Not tat“, ließ Schön wissen, der Konsequenzen für das kommende Jugoslawien-Spiel ankündigte. Unterstützung fand der Trainer bei seinem Kapitän Franz Beckenbauer, der monierte: „Drei, vier Spieler kämpfen nicht mit dem Einsatz, wie es bei einer Weltmeisterschaft notwendig ist.“ Erst eine Stunde vor dem ersten Zwischenrundenspiel gab Helmut Schön seine Mannschaft bekannt. Die Überraschung: Mit Uli Hoeneß, Jürgen Grabowski, Heinz Flohe und Bernd Cullmann fehlten vier Spieler aus dem Team, das 0:1 gegen die DDR verloren hatte.
In den Medien wurden aus den Krisendiskussionen dieser Nacht und dem Bild der Pressekonferenz, als der Kapitän neben dem Bundestrainer sitzend dessen Ausführungen mit eigenen Worten unterstrich, die Schlagzeilen „Franz Beckenbauer stieg zum Neben-Bundestrainer auf. Was Helmut Schön nun unternahm, war mit dem kommenden Kaiser abgesprochen.“
. Als Dresdner empfand Schön das Spiel als persönliche Beleidigung. Er nahm es der Mannschaft übel, dass sie verloren hatte – und sprach am nächsten Tag kein Wort mit uns. Dass er uns seine tiefe Enttäuschung auf diese Weise spüren ließ, anstatt uns eine Standpauke zu halten oder Strafen auzusprechen, war für alle höchst bedrückend. Das war ihm eigen. Helmut Schön motivierte nicht durch laute Ansprachen, er motivierte, indem er beleidigt war. Es fühlte sich an, als hätte man den eigenen Vater enttäuscht. Die ganze Mannschaft schämte sich. Dann sprach Franz Beckenbauer ein Machtwort. Er votierte bei Schön dafür, dass ich Uli Hoeneß in der Anfangsformation in der Zwischenrunde gegen Jugoslawien ersetzen sollte. Auch Rainer Bonhof, Dieter Herzog und Hacki Wimmer kamen in die Mannschaft. Später wurde immer wieder geschrieben, dass Beckenbauer Schön entmachtet hätte. Völliger Quatsch. Er stellte die Mannschaft auf, aber er war, anders als andere Trainer dieser Zeit, bereit, Argumente abzuwägen und auch andere Meinungen gelten zu lassen.“
Heraus kamen in der Zwischenrunde die Erfolge gegen Jugoslawien, Schweden und Polen und damit der Einzug in das Finale gegen die Niederlande. Jetzt stand die Formation mit Bonhof, Overath und Hoeneß im Mittelfeld und mit Grabowski, Gerd Müller und Bernd Hölzenbein im Angriff. Taktisch entschied man sich dafür, den holländischen Starspieler Johan Cruyff mit enger Manndeckung durch den schnelleren Berti Vogts zu bekämpfen, Georg Schwarzenbeck hatte es damit mehr mit Rob Rensenbrink zu tun und Rainer Bonhof sollte den Spielmacher Wim van Hanegem mit seiner Dynamik in die ungeliebte Defensive drängen. Nach guter erster Halbzeit führte die deutsche Mannschaft mit 2:1 Toren und hatte auch im Spiel nach vorne überzeugende Momente gehabt. Die zweite Spielhälfte stand dagegen ganz im Zeichen eines Sturmlaufs der Holländer und einer deutschen Mannschaft, die sich kämpferisch gab und den Vorsprung über die Zeit rettete. Helmut Schön hatte mit seiner Mannschaft nach dem Europameisterschaftstitel 1972 auch die Weltmeisterschaft 1974 gewonnen. Begonnen hatte die Turnierserie 1966 mit der Vizeweltmeisterschaft und 1970 mit dem dritten Rang in Mexiko. Nur die Art und Weise des Zustandekommens waren nicht mehr spielerisch vergleichbar mit den Auftritten 1970 und 1972. Mit einem Alter von 58 Jahren und 295 Tagen beim WM-Titel blieb er bis 2010 der älteste Trainer eines Weltmeisters, dann wurde er von Vicente del Bosque überboten.
Nach dem WM-Triumph beendeten Jürgen Grabowski, Gerd Müller und Wolfgang Overath ihre Nationalmannschaftskarriere und der junge Paul Breitner wechselte zu Real Madrid. Sie hinterließen Lücken und der Verlust des Torjägers Gerd Müller wog besonders schwer. Der Bundestrainer hatte aber keine Zeit zu verlieren, denn am 20. November 1974 stand das erste Qualifikationsspiel zur Europameisterschaft 1976 auf dem Terminplan. In Piräus endete die Partie gegen Griechenland mit einem 2:2-Unentschieden und die eingesetzten Stürmer Geye, Hölzenbein und Heynckes blieben dabei ohne Torerfolg.
Mit zwei Siegen gegen Bulgarien und Malta beendete die Mannschaft die Qualifikation aber letztlich erfolgreich und mit Erich Beer und Bernard Dietz hatten sich auch zwei neue Spieler als Stammkräfte etabliert. Im Viertelfinale hatte man es mit Spanien zu tun, holte sich am 24. April 1976 in Madrid ein 1:1-Unentschieden und gewann das Rückspiel in München mit einer guten Leistung mit 2:0 Toren (Hoeneß, Toppmöller).
Damit war der Titelverteidiger in das Halbfinale eingezogen, das im Juni 1976 in Jugoslawien stattfand. Nach einem 4:2-Erfolg in der Verlängerung gegen den Gastgeber zog Deutschland in das Finale ein. Ohne echten Mittelstürmer hatte der Bundestrainer seine Mannschaft in das Spiel am 17. Juni in Belgrad auf das Feld geschickt. Mit einem Vierermittelfeld mit Bonhof, Wimmer, Danner und Beer und den zwei Angreifern Hoeneß und Hölzenbein begann die Schön-Truppe. Zur zweiten Halbzeit kam der Kölner Heinz Flohe für Danner und in der 79. Minute der Mittelstürmer des 1. FC Köln, Dieter Müller, für Herbert Wimmer in das Spiel. Torjäger Dieter Müller erzielte bei seinem Nationalmannschaftsdebüt drei Treffer. Das Finale entschied die Tschechoslowakei nach einem 2:2 nach Verlängerung mit 5:3 Toren im Elfmeterschießen. Immer noch gehörte die Mannschaft von Bundestrainer Helmut Schön zu den besten Teams in Europa. Von einer Überlegenheit oder gar einer Ausnahmemannschaft konnte aber keine Rede mehr sein.
Am 27. April 1977 schlug Deutschland in Köln vor 58.000 Zuschauern Nordirland mit 5:0. Es war das erste Spiel ohne den Rekordnationalspieler Franz Beckenbauer, der inzwischen in die USA zu Cosmos New York gewechselt war. Doch endlich hatte die Nationalmannschaft mit Rüdiger Abramczik wieder einen Flügelstürmer von Format, auch Karl-Heinz Rummenigge gehörte bereits dazu, und die Mittelstürmerrolle schien mit Klaus Fischer bestens besetzt. Es folgten elf weitere Spiele ohne Niederlage, wobei vor allem die erfolgreiche Südamerikareise mit den Spielen gegen Argentinien, Uruguay, Brasilien und Mexiko im Juni 1977 den Anschein erweckte, Helmut Schön hätte wieder eine Mannschaft beisammen, mit der man zuversichtlich zur Weltmeisterschaft im Jahre 1978 nach Argentinien fahren könne[8. Die beiden Abschlussländerspiele vor dem Turnier am 5. und 19. April 1978 verlor die DFB-Crew gegen Brasilien und vor allem in Stockholm nach enttäuschender Leistung gegen Schweden mit 1:3 Toren. Erneut wurden die Kritikerstimmen zahlreicher, die nach den altgedienten Beckenbauer, Breitner und Grabowski sowie dem jungen Uli Stielike von Real Madrid riefen, die jedoch aus den unterschiedlichsten administrativen und persönlichen Hindernisgründen der DFB-Auswahl nicht zur Verfügung standen.
Gegen das enttäuschende Mexiko folgte ein „Scheinfeuerwerk“ mit 6:0 Toren, dem sich das abschließende Gruppenspiel gegen Tunesien wiederum mit einem torlosen Unentschieden anschloss. Der somit erfolgte Einzug in die Finalrunde war der deutschen Mannschaft nicht mit einer überzeugenden Leistung gelungen. Das Spiel gegen Italien brachte das dritte 0:0 für die deutsche Mannschaft.
Für Schön kamen die wechselhaften Leistungen seiner Mannschaft durch die fehlende Selbstsicherheit zustande und den Umstand, dass sich die Mannschaft nicht als Persönlichkeit erwies. Mit 2:2 trennte man sich anschließend von Holland und im letzten Finalspiel traf man am 21. Juni 1978 in Córdoba auf Österreich. Mit einem Sieg war auf jeden Fall das Spiel um Platz drei gesichert. Die Unruhe im deutschen WM-Lager über die bisher gezeigten Leistungen führte aber auch in diesem Spiel dazu, dass die Mannschaft erneut nicht zur Leistung fand und Hans Krankl in der 88. Minute mit dem Siegtreffer zum 3:2 für Österreich den Schlusspunkt für die DFB-Mannschaft setzte.
Da Helmut Schön bereits vor der Weltmeisterschaft seinen Rücktritt von dem Bundestrainerposten nach dem Turnier erklärt hatte, ging mit diesem glanzlosen Turnier in Argentinien die erfolgreiche Ära seiner Arbeit beim DFB zu Ende. Er hatte sich den Abschluss seiner Laufbahn anders vorgestellt. Das Spiel um den dritten Platz, gegen Brasilien, das war sein Traum gewesen. Das hätte man verlieren können, darüber wäre er nicht traurig gewesen.
Für Schön brach durch die Niederlage gegen Österreich eine Welt zusammen. Offiziell wurde Helmut Schön vor dem Anpfiff zum Länderspiel am 15. November 1978 in Frankfurt gegen Ungarn von der Nationalmannschaft und dem DFB verabschiedet. Aufgrund von dichten Nebelschwaden dauerte sein Abschiedsspiel nur 60 Minuten und wurde beim Stand von 0:0 abgebrochen.
Nach seinem Rücktritt vom Bundestrainerposten 1978 genoss Helmut Schön das öffentliche Abseits. Zurückgezogen verbrachte er den Ruhestand an der Seite seiner Ehefrau Annelies in seiner Wahlheimat Wiesbaden.
Aus Anlass des Abschiedsspieles von Paul Breitner betreute er gemeinsam mit Derwall am 31. Mai 1983 in München eine Weltauswahl beim Spiel gegen den FC Bayern. Zu seinem 75. Geburtstag besuchte ihn die 74er-Weltmeistermannschaft 1990 noch einmal in Wiesbaden. In den 1990er Jahren wurde es schließlich still um Helmut Schön, der unter der Alzheimer-Krankheit litt und seine letzten Lebensjahre im Hans-Giebner-Haus, einem Pflegeheim im Wiesbadener Stadtteil Dotzheim, verbrachte. Er starb im Februar 1996, der deutsche Fußball ehrte ihn im Rahmen einer Trauerfeier im Wiesbadener Staatstheater. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Nordfriedhof in Wiesbaden.
.
.
.
Man muss Fußball nicht verstehen, man muss sich nur damit zurechtfinden!
Das Thema wurde geschlossen. |
Besucher
0 Mitglieder und 15 Gäste sind Online |
Forum Statistiken
Das Forum hat 4329
Themen
und
5608
Beiträge.
Heute waren 0 Mitglieder Online: |
Forum Software ©Xobor.de | Forum erstellen |